Daoismus und TCM

Daoismus und Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)
Auf diesem Foto halte ich eine Schriftrolle hoch. Die Zeichen auf der Rolle bedeuten: Dao. Dao kann übersetzt werden mit dem Begriff "der Weg" aber auch als "die Methode" "die Lösung" - es gibt eine Vielzahl von Deutungsmöglichkeiten für dieses Wort. Der Begründer des Daoismus ist Laozi, der Weise und Philosoph (wahrscheinlich aus dem ersten Jhdt. v. Chr.).
Vieles an der Weisheit des Daodejing (so heisst das berühmte Werk des Laozi) ist für uns heute noch interessant. Auch die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) wurde vom Daoismus beeinflusst. Mensch und Natur sind keine natürlichen Gegner, sondern sie haben alle Teil am großen Ganzen und sind darauf angewiesen, dass jeder an seinem Platz zum Wohle des Ganzen wirkt und nicht nur seine Eigeninteressen verfolgt. Oft spricht Laozi davon, das der Mensch dem Gesetz der Natur folgen soll, denn niemand kann sich erfolgreich gegen die Naturgesetze stellen. Berühmt geworden ist das von Laozi benutzte Bild vom Wasser, dem weichen Element, das doch im Laufe der Zeit den Stein aushöhlt und schließlich verschwinden lässt.
Heute mal etwas ganz Besonderes, ein deutsches Gedicht über

 

die Entstehung des Daodejing, viel Freude damit!

1
Als er Siebzig war und war gebrechlich
Drängte es den Lehrer doch nach Ruh
Denn die Güte war im Lande wieder einmal schwächlich
Und die Bosheit nahm an Kräften wieder einmal zu.
Und er gürtete die Schuh.

2
Und er packte ein, was er so brauchte:
Wenig. Doch es wurde dies und das.
So die Pfeife, die er abends immer rauchte
Und das Büchlein, das er immer las.
Weißbrot nach dem Augenmaß.

3
Freute sich des Tals noch einmal und vergaß es
Als er ins Gebirg den Weg einschlug
Und sein Ochse freute sich des frischen Grases
Kauend, während er den Alten trug.
Denn dem ging es schnell genug.

4
Doch am vierten Tag im Felsgesteine
Hat ein Zöllner ihm den Weg verwehrt:
„Kostbarkeiten zu verzollen?“ - „Keine.“
Und der Knabe, der den Ochsen führte, sprach: "Er hat gelehrt.“
Und so war auch das erklärt.

5
Doch der Mann in einer heitren Regung
Fragte noch: „Hat er was rausgekriegt?“
Sprach der Knabe: „Daß das weiche Wasser in Bewegung
Mit der Zeit den harten Stein besiegt.
Du verstehst, das Harte unterliegt.“


6
Dass er nicht das letzte Tageslicht verlöre
Trieb der Knabe nun den Ochsen an
Und die drei verschwanden schon um eine schwarze Föhre
Da kam plötzlich Fahrt in unsern Mann
Und er schrie: „He, du! Halt an!


7
Was ist das mit diesem Wasser, Alter?“
Hielt der Alte: „Interessiert es dich?“
Sprach der Mann: „Ich bin nur Zollverwalter
Doch wer wen besiegt, das interessiert auch mich.
Wenn du's weißt, dann sprich!


8
Schreib mir's auf! Diktier es diesem Kinde!
So was nimmt man doch nicht mit sich fort.
Da gibt's doch Papier bei uns und Tinte
Und ein Nachtmahl gibt es auch: ich wohne dort.
Nun, ist das ein Wort?“

 

9
Über seine Schulter sah der Alte
Auf den Mann: Flickjoppe. Keine Schuh.
Und die Stirne eine einzige Falte.
Ach, kein Sieger trat da auf ihn zu.
Und er murmelte: „Auch du?"


10
Eine höfliche Bitte abzuschlagen
War der Alte, wie es schien, zu alt.
Denn er sagte laut: „Die etwas fragen
Die verdienen Antwort.“ Sprach der Knabe: „Es wird auch schon kalt.“
„Gut, ein kleiner Aufenthalt.“


11
Und von seinem Ochsen stieg der Weise
Sieben Tage schrieben sie zu zweit
Und der Zöllner brachte Essen (und er fluchte nur noch leise
Mit den Schmugglern in der ganzen Zeit).
Und dann war's soweit.

 

12
Und dem Zöllner händigte der Knabe
Eines Morgens einundachtzig Sprüche ein.
Und mit Dank für eine kleine Reisegabe
Bogen sie um jene Föhre ins Gestein.
Sagt jetzt: kann man höflicher sein?

 

13
Aber rühmen wir nicht nur den Weisen
Dessen Name auf dem Buche prangt!
Denn man muß dem Weisen seine Weisheit erst entreißen.
Darum sei der Zöllner auch bedankt:
Er hat sie ihm abverlangt.

 

(Brecht)

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